BIOGRAFIE
Charles Arnould Tournemire wurde am 22. Januar 1870 in Bordeaux geboren. Er erhielt seinen ersten Musikunterricht am
Konservatorium seiner Heimatstadt. Mit elf Jahren wurde er Organist an der Peterskirche in Bordeaux, mit vierzehn Jahren
Organist an der Basilika St. Seurin derselben Stadt. Um seine musikalischen Fähigkeiten zu verbessern, ging er 1886 nach
Paris.
An der Pariser Musikhochschule war er Schüler von Charles De Bériot (Klavier), Taudon (Harmonie) und César Franck (Orgel).
Neben dem Orgelunterricht bekam Tournemire auch Privatstunden bei César Franck für Fuge und Komposition. Nach dem
Tod von Franck im Jahr 1890 setzte er sein Orgelstudium bei Charles-Marie Widor (1845-1937) fort.
Unter dessen Leitung erhielt er 1891 einen "ersten Preis". Widors Art zu unterrichten unterschied sich völlig von der von
Franck. Beim "Engelsmeister" stand die Improvisationslehre im Mittelpunkt, der Orgeltechnik schenkte er wenig Beachtung.
Bei Widor hingegen lag der Schwerpunkt auf der Methode des Belgiers Jacques Lemmens, dessen Schüler Widor gewesen
war. Strenges Legato-Spiel, die Verwendung des Doppel-Pedals, das simultane Spiel mit einer Hand auf zwei Klavieren sind
Techniken, die Tournemire bei Widor gelernt hatte.
Nach einer kurzen Zeit als Organist an der Sankt-Medard-Kirche gewann Tournemire 1898 den Wettbewerb für die Nachfolge
von Franck an der großen Orgel der Basilika St.Clotilde in Paris. Bemerkenswert ist, dass die Basilika St. Clotilde zu dieser Zeit
das Zentrum einer intensiven und berühmten musikalischen und spirituellen Aktivität in Paris war. Tournemire trat dort die
Nachfolge von Gabriel Pierné an.
Wegen chronischer Gesundheitsprobleme als kriegsdienstuntauglich erklärt, wurde Tournemire im November 1919 zum
Professor für Musik an der Pariser Musikhochschule ernannt. Er hatte ursprünglich die Absicht, Professor für Orgel zu
werden. Diese Stelle bekam schließlich Marcel Dupré.
In den ersten Orgelwerken, die Tournemire um 1900 komponierte, ist der Einfluss von César Franck noch deutlich zu spüren.
In dem 1910 komponierten und César Franck gewidmeten Triple Choral Opus 41 suchte er offensichtlich schon nach neuen
Horizonten. Sein ganzes Leben lang komponierte er weitere Werke, nicht nur Orgelkompositionen, sondern auch
Klaviermusik, Kammermusik, Liedern, vier Theaterwerken und acht Sinfonien für Orchester. Das Ergebnis ist ein
umfangreiches und vielfältiges Gesamtwerk, das es mit den großen französischen Komponisten aufnehmen kann.
Tournemire war ein eifriger Katholik, der sein Glaube in den Dienst der Musik stellte. Mit seiner Frau Alice Espire war er Oblat
im Orden des Hl. Franziskus von Assisi, einer Laienvereinigung für Verheiratete, die bereit sind, wie die Franziskanischen
Brüder zu leben.
Mit der Komposition "Orgue Mystique" macht sich Tournemire zur Aufgabe, die gregorianischen Themen des liturgischen
Kalenders zu paraphrasieren und zu illustrieren. Er war stets ein Diener der geistlichen Orgelmusik, die für ihn in erster Linie
im Dienst des Glaubens und der Kirche stehen sollte, und hasste sein Leben lang, wer nicht diese Auffassung mit ihm teilte.
Als leidenschaftlicher Verfechter des gregorianischen Gesangs interessierte er sich auch für die Wiederentdeckung alter
Orgelmusik, wie jene von Frescobaldi und Buxtehude, die er oft auf der Orgel von St. Clotilde spielte.
Sein Ruhm brachte ihm mehrere Tourneen ins Ausland ein, insbesondere nach Spanien (1930) und England (1936). 1931
nahm er während eines Konzerts fünf Improvisationen auf Schallplatten mit 78 U/Min auf. Sie wurden von Maurice Duruflé in
den 1950er Jahren entziffert und transkribiert.
Im Jahr 1938 verließ Tournemire die Musikhochschule.
Über die Orgelwelt verärgert und bei schlechter Gesundheit verstarb er unter seltsamen Umständen in Arcachon, wo seine
Leiche in einem Austernpark gefunden wurde. Bis heute ist ungewiss, ob es sich um einen Unfall oder Selbstmord handelte...